Immer wieder wird auf verschiedenen Internetseiten behauptet, die EZB „drucke Geld“ und würde dadurch Inflation oder gar eine Hyperinflation auslösen. Diese Analyse beschäftigt sich mit den Vorgängen rund um das Zentralbankgeld und soll helfen, die Funktion von Zentralbankgeld und Zentralbanken zu verstehen.  

Zentralbankgeld (ZB-Geld) gibt es in Form von Giral- und Bargeld. Zur Geldmenge M0 zählt nur das Bargeld, welches sich außerhalb der Zentralbank befindet. Bargeld im Eigentum der Zentralbank zählt nicht zur Menge des ZB-Geldes.

Im Jahre 2009 wurden von der Europäischen Zentralbank (EZB) wertmäßig insgesamt 476 Mrd. Euro an Bargeldscheinen zur Herstellung in Auftrag gegeben. Das waren etwa 2,5 mal soviel, wie durchschnittlich in den Jahren zuvor produziert wurden.

Die hohe Produktionsmenge in 2009 ist eine Folge der Ereignisse vom Katastrophen-Herbst 2008 (Pleite der Investmentbank Lehmann Brothers). In den ersten Tagen des Oktober 2008 wurden bei Geschäftsbanken und Sparkassen in Deutschland und auch anderen europäischen Ländern sehr große Mengen Bargeld abgehoben, so dass ein Engpass an Bargeld zu entstehen drohte. Das heißt, wären diese Abhebungen nicht gestoppt worden, hätten wenige Tage später mangels Bargeld keine Auszahlungen mehr vorgenommen werden können. Aus diesem Grund traten Kanzlerin Merkel und der damalige Finanzminister Steinbrück am 6. Oktober 2008 vor die Fernsehkameras und „garantierten“ die Sicherheit aller Geldeinlagen. Durch dieses fragwürdige Versprechen wurde das Vertrauen in unser Bankensystem wieder hergestellt und die massiven Abhebungen der Bürger hörten auf. Zudem begannen die Menschen, ihr zuvor abgehobenes Geld wieder bei den Banken einzuzahlen.

Bargeld, konkret Papiergeld, darf nur die Zentralbank herstellen. Das Münzgeld liegt im Hoheitsbereich des Staates. Solange Münzen und Scheine in der Zentralbank liegen, sind es nur Metallstücke und „kleine bunte Massengemälde“ mit Zahlen drauf. Die Funktion des Zahlungsmittels haben sie noch nicht. Von daher ist der Bestand der hergestellten und noch in den Zentralbanklagern befindlichen Münzen und Banknoten nebensächlich, es sollten nur genug vorhanden sein, um auf Engpässe bei der Bargeldversorgung vorbereitet zu sein.

Erst wenn das Bargeld die Grenzen der Notenbank überschritten hat, nimmt es die Funktion von Zahlungsmitteln an. Die Zentralbank ist nicht in der Lage, von sich aus Münzen und Geldscheine in Umlauf zu bringen, sie muss warten, bis es von einer Geschäftsbank angefordert wird. Der Bedarf der Geschäftsbanken wiederum ergibt sich aus der Nachfrage seitens der Nichtbanken (Personen, Unternehmen, Vereine, etc.).

Ebenso ist es den Zentralbanken im Euroraum seit dem 1. Januar 1994 verboten, den Staaten direkt Geld zu leihen (2. Stufe der Eurosystems). Dieses Verbot gilt zurzeit und kann erst unterlaufen werden, wenn es im Rahmen einer Regeländerung in der Zukunft wieder aufgehoben wird.

Aus diesen Fakten kann man nun ableiten, dass Zentralbankgeld nicht mehr durch Auszahlungen an den Staat in den Umlauf kommt. Doch wie kommt denn nun ZB-Geld in die Welt, wenn die noch weit verbreitete Meinung „die Zentralbank gibt es in Umlauf“ nicht mehr gültig ist?

Bis Ende 1993 sind im Laufe der Jahre ca. 25 Mrd. Euro direkt durch den Staat in den Umlauf gegeben worden, doch die Zentralbankguthaben der Banken sind deutlich höher und der Bargeldbestand außerhalb der Zentralbank weist eine Höhe von ca. 800 Mrd. Euro im Euroraum auf, davon ca. 340 Mrd. in Deutschland.

Man muss zu dem Schluss kommen, dass die Zentralbankguthaben der Banken bei der Zentralbank nicht durch Einzahlungen von Bargeld entstanden sein können.

 

Wie entsteht Zentralbankgeld?

Zentralbankgeld entsteht bei den Tendergeschäften (Offenmarkt) der Zentralbank. Die Tender sind wöchentliche Auktionen, bei der Geschäftsbanken Zentralbankgeld nachfragen können. Die Laufzeiten der Tender sind in der Regel auf  eine Woche, einen, drei oder sechs Monate begrenzt. Im Jahr 2009 ist erstmalig auch ein Jahrestender vergeben worden. Nach Ablauf der Zeit muss das ZB-Geld von den Geschäftsbanken an die Zentralbank zurückgezahlt und gegebenenfalls ein neuer Kredit bei der Zentralbank aufgenommen werden. Die Zentralbank kann die Höhe der Tender begrenzen, es kann jedoch nicht mehr ZB-Geld zugeteilt werden, als angefordert wird.

Es gibt zwei Tenderverfahren: den Zinstender und den Mengentender. Die Unterscheidung ist jedoch nicht von sonderlicher Bedeutung und würde zu sehr ins Detail führen. Wer möchte, kann auf den Internetseiten der Europäischen Zentralbank die Besonderheiten dieser beiden Tenderformen studieren.

http://www.ecb.eu

Beim Tenderverfahren werden Gebote von Geschäftsbanken abgegeben. Die Zentralbank teilt die Beträge denjenigen Geschäftsbanken zu, die den höchsten Zinssatz bieten. Der Mindestzinssatz wird von der Zentralbank festgelegt. Seit dem 15.Oktober 2008 wird jeder angeforderte Betrag zugeteilt, - seitens der EZB findet keine Begrenzung mehr statt. Das Datum geht einher mit dem Zusammenbruch des Interbankenmarktes und den schon angesprochenen hohen Bargeldabhebungen Anfang Oktober 2008. Der Interbankenmarkt ist der Markt, auf dem sich die Banken untereinander über Nacht oder für eine paar Tage ZB-Geld leihen zu Zinssätzen, die etwas höher liegen als der ZB-Leitzins, jedoch niedriger als der Zinssatz für kurzfristige (Über-Nacht-)Kredite bei der Zentralbank. Einige Banken waren in Schwierigkeiten ihre Überweisungen durchzuführen, worauf die EZB die Geldzuteilung geöffnet hat. Die Aufhebung der Grenze lässt sich an der Tenderhistorie auf den Statistikseiten (siehe Abbildung) der EZB nachweisen.

Abb. 1: Auszug aus der Tenderhistorie aus den Webseiten der EZB.

Bis zum 15.10.2008 ist der gebotene Betrag höher als der zugeteilte Betrag. Seit dem 15.10.08 wird der gebotene Betrag zugeteilt, was auch an dem einheitlichem Zinssatz zu erkennen ist. Die Zentralbank haben das Steuerungsinstrument der Begrenzung des Zentralbankgelds bis heute (Juni 2010) nicht mehr aktiviert. Bei den längerfristigen Tendern mit Laufzeiten von mehr als 7 Tagen ist das Gleiche zu beobachten.

Die angeforderten Beträge werden den Banken auf ihren Konten bei der Zentralbank gutgeschrieben. Die Bankleitzahl ist übrigens nichts anderes als die Kontonummer der Geschäftsbank bei der Zentralbank. Durch die Gutschrift des zugeteilten bzw. angeforderten Betrages ist Zentralbankgeld entstanden.

Zentralbankgeld entsteht also durch eine Buchung der Zentralbank auf das Konto einer Geschäftsbank. Die Zentralbank vermerkt sich die Buchung in Form eines Kredits an die Geschäftsbank.

 

Bekommt eine Bank einfach so Zentralbankgeld?

Die Zentralbank verlangt für den angeforderten Betrag Sicherheiten. Diese Sicherheiten sind im wesentlichen Staatswertpapiere, anders ausgedrückt Staatsschulden. Die Sicherheiten selbst bleiben im Eigentum der Geschäftsbank. Sie werden nicht an die Zentralbank übereignet. Dieses Verfahren wird in der Fachsprache als Wertpapierpensionsgeschäft bezeichnet.

Die Änderung der Vermögen der Banken können mit Bilanzen sehr gut dargestellt werden.

Abb. 2: Bankbilanz vor und nach einer Erhöhung der Barreserve.

Das Wertpapier, das Bestandteil der Vermögenswerte der Bank war, darf ab dem Zeitpunkt der Beleihung nicht mehr als Vermögen ausgewiesen werden, wobei es sich um einen bilanztechnischen Vorgang handelt. Stattdessen darf die Bank das erhaltene ZB-Geld in der Bilanz ausweisen. In ihrer Gesamtheit betrachtet bleibt die Bilanz unverändert.

Durch Basel III sind eine ganze Reihe von weiteren Sicherheiten festgelegt worden. Der Begriff Basel III bezeichnet Veränderungen bei den Eigenkapitalvorschriften europäischer Finanzinstitute. Die Neuregulungen führen dazu, dass verschiedene Klassen von notenbankfähigen Sicherheiten nicht automatisch zum Nennwert beliehen werden können. In einem neuen Regelwerk sind die maximalen Beleihungsgrenzen festgelegt worden: So können z.B. Hypotheken mit 80% beliehen werden, Aktien jedoch nur mit 20%.

Das EZB-System gibt regelmäßig eine Aufstellung der zugelassenen Sicherheiten heraus.

 

Wozu wird das Zentralbankgeld benötigt?

Die Mindestreserve der Geschäftsbanken muss in Zentralbankgeld vorliegen und zwar in Zentralbankgeldguthaben. Die Höhe der Mindestreserve wird aus einer Geldmenge abgeleitet, die im wesentlichen der Geldmenge M2 entspricht. Dazu gehören u.a. die Guthaben auf den Kundengiralkonten der Geschäftsbanken, Geldanlagen mit einer Restlaufzeit von 2 Jahren und Sparbücher. Von diesem Betrag müssen 2% als ZB-Geld auf dem Konto der Geschäftsbank bei der Zentralbank vorliegen

Weiterhin wird das ZB-Giralgeld für die Überweisungen zwischen den Banken benötigt und für Bargeldabhebungen. Die Abhebung (Anforderung) von Bargeld durch eine Geschäftsbank ist seit 1994 der einzige Weg, wie Bargeld die Zentralbank verlassen kann.

Der Kontostand einer Geschäftsbank bei der Zentralbank wird als Barreserve bezeichnet.

Abb. 3: Die Barreserve besteht aus der Mindestreserve und der Überschussreserve.

Abb. 4: Jede Geschäftsbank hat bei der Zentralbank ein Konto, dessen Kontonummer die Bankleitzahl ist.

 

Rückblick in die Zeit vor 1994 und vor 1957

Im Jahr 1957 ist das zweistufige Bankensystem vollendet worden. Das heißt, dass seit diesem Jahr, die Zentralbank über den Geschäftsbanken angeordnet worden ist. Davor war die Zentralbank auf der Ebene der Geschäftsbanken. Geld war Bargeld, Girokonten gab es so gut wie gar nicht. Die Zentralbank hat über den Staat oder durch die Hereinnahme von Wechseln die Wirtschaft mit Geld versorgt.  Überschüssiges Geld ist bei Banken gespart worden, lag in der Kasse und ist auf eigene Rechnung gegen Kredite wieder verliehen worden.

Die Versorgung des Staates mit Geld wurde eingeschränkt auf einen maximalen Betrag pro Jahr, den sich der Staat direkt bei der Zentralbank besorgen konnte. Diese direkte Geldversorgung ist mit dem Jahr 1994 aufgehoben und durch ein Verbot ersetzt worden.

In dem Zeitraum von ca. 1960 bis Mitte der 1970iger Jahre haben die Giralkonten, bedingt durch neue elektronische Techniken (Computer) ihren Siegeszug angetreten. Nun war nicht mehr nur Bargeld Geld, sondern es wurde auch möglich, durch Überweisung mit Giralgeld zu bezahlen. Doch bis heute (Juni 2010) ist nur Bargeld als „gesetzliches Zahlungsmittel“ durch den Gesetzgeber legitimiert. Giralgeld hat diesen Status nach wie vor nicht, obwohl heutzutage der Staat, Länder und schon viele Kommunen kaum noch Bargeld als Zahlung akzeptieren. Das „gesetzliche Zahlungsmittel“ Bargeld ist ergänzt worden durch ein neues, vollwertiges Geld: dem Giralgeld.

Giralgeld entstand in dieser Zeit zunehmend durch Kredite. Das Sparen von Bargeld und damit der Weiterverleih von Papierscheinen und Münzen wurde immer weniger die notwendige Voraussetzung für eine Kreditvergabe.

Seit 1994 kann die Bargeldmenge nicht mehr durch den Staat oder die Zentralbank ausgeweitet werden. Bargeld können heute nur die sogenannten Nichtbanken (Privatpersonen, Unternehmen) in Umlauf bringen, nämlich indem sie es bei einer Geschäftsbank abheben und ausgeben. Die Zentralbank hat heute keine Möglichkeit mehr, Bargeld direkt in Umlauf zu bringen, - der Staat darf es nicht mehr. 

Den Geschäftsbanken hat die technische Entwicklung im bargeldlosen Zahlungsverkehr in den letzten Jahrzehnten enorme Vorteile verschafft. Die Welt des Geldes hat sich in den letzten Jahrzehnten vollständig verändert. Bargeld ist schon lange keine Basis mehr für Kredite.

Ich hoffe, mit dieser Analyse etwas Licht ins Dunkle der Vorgänge rund um das Zentralbankgeld und die heutige Funktionsweise der EZB gebracht zu haben.

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